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Hüllenwanderung - Ausstellung

 

 

Was Sie hier sehen, ist keine Ausstellung sondern eine Feststellung.

 

Es gibt also Kleidung, die nacheinander verschiedenen Menschen gehört.

 

Kleidung trägt einem allgemeinen visuellen Kommunikationszwang Rechnung. Sie ist nicht nur ein physischer, sondern auch ein psychischer Schutzmantel; ein Versteck, ein Alibi, eine Aufgabe, eine Zugehörigkeit oder sogar eine zweite Person, in die wir schlüpfen können. Kleidung kann soziologisches Instrument sein, sie kann gewählt werden, ersehnt werden, aufgezwungen, unbedacht verwendet. Kleidung verbindet sich mit dem, der sie trägt. Aus Sicht des Betrachters und aus dem Empfinden des Trägers heraus.

 

Was wechselt also wirklich den Besitzer, wenn Kleidung von einem Körper zum anderen wandert?

 

In dieser Ausstellung sehen wir Kleidungsstücke, die Ihren - eher zufälligen - Weg über persönliche Freunde und Bekannte gemacht haben. Manche haben sechs oder sieben Vorbesitzer. Um diesen Weg nachvollziehbar zu machen habe ich da, wo im Laden Preisschilder zu suchen sind, Etiketten angebracht, auf denen Ausschnitte und Eckpunkte der Biografien der jeweiligen Kleider zu lesen sind. Mir war bei dieser Sammlung der emotionale Aspekt wichtig.

 

Als Gegenpol habe ich Kleidungsstücke ausgestellt, die sich in nahezu absurder Menge häufen. Da tragen zum Beispiel tausende von Menschen zur selben Zeit die gleichen Schuhe. Identisch im Design - allein verändert durch die verschiedenen Fußformen und Nutzungsgewohnheiten des Trägers. Zu sehen ist zum Beispiel eine Schuhsammlung von immer den gleichen Turnschuhen in verschiedenen Farben, die alle demselben Besitzer gehören. Alle Schuhe in unterschiedlichen Abnutzungsstadien. Eines davon besteht fast nur noch aus Löchern. Getragen werden sie alle noch.

 

Ich habe Modedesign studiert, und arbeite - schon seit Beginn meines Studiums - als Kostümbildnerin. Ich gebe einer fiktiven Person eine Erscheinung, eine Herkunft, eine Umgebung, eine Meinung - ich ordne sie ein. Die wenigsten Menschen, auch unter jenen, die ich für Film und Theater einzukleiden habe, machen sich über die Kleidung, die sie tragen, Gedanken. Sie kommunizieren aber trotzdem darüber. Selbst der Versuch, dieser Kommunikation zu entkommen, ist bereits Teil davon, kann sogar treibender Motor sein. Man versucht, zu verneinen, entwickelt aber in Wirklichkeit das Vokabular und die Grammatik einer Sprache weiter. Und zwar mit den Dingen, die schon da sind, die schon verstanden werden. Sie werden übernommen, zerstört und damit umgedeutet und neu erschaffen.

 

Oder aber sie werden übernommen und verändern unbeabsichtigt ihre Bedeutung durch ihren neuen Träger.

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